Int. ADAC-1000-Kilometer-Rennen
28. – 30. Mai 1971
Bilder: Manfred Rommelsheim, Horst Hoier
Bericht: Burkhard Köhr
Nürburgring-Nordschleife
Streckenlänge: 22,835 Kilometer
44 Runden = 1004,740 Kilometer Renndistanz
Spannend bis zum Schluss
Beim 1000-Kilometer-Rennen 1971 jagten sich die Favoriten
Ferrari, Alfa Romeo und Porsche von Anfang an. Dies führte dazu, dass schon nach
halber Distanz der in Führung liegende Ferrari und der schnellste Alfa Romeo mit
Motorschäden ausfielen. Drei Porsche lagen von diesem Augenblick an
unangefochten an der Spitze des Feldes. Eine halbe Stunde vor Ende des Rennens
merkte der an dritter Position fahrende Helmut Marko, dass der vor ihm liegende
Pedro Rodriguez langsamer wurde. In der letzten Runde holte er Rodriguez ein und
versucht ihn zu überholen. Pedro Rodriguez nutzte die volle Streckenbreite der
Nordschleife, so dass Helmut Marko keine Chance sah, an ihm vorbeizukommen.
Alfa Romeo hatte im Vorfeld die Nordschleife gemietet und
bereits eine Woche am Ring trainiert und sämtliches Wagen- und Fahrermaterial
mit in die Eifel gebracht. Porsche war auf der ganzen Linie im Nachteil: Die
drei auf Sizilien bei der Targa Florio beschädigten Wagen mussten in Tag- und
Nachtarbeit aufgerüstet werden.
Freitag
"Eine schnelle Runde"
Sofort nach Freigabe der Strecke am Freitagmorgen begann
die gesamte Alfa-Mannschaft eifrig zu trainieren. Es sollte keine Zeit ungenutzt
verstreichen. So blieb denn auch Rolf Stommelen als erster, auf noch feuchter
Piste, unter 10 Minuten, während die anderen Mannschaften erst ihre Boxen
bezogen. Als gegen Mittag die Sonne durchkam, setzte Clay Regazzoni mit einer
Zeit von 7:59,8 Minuten einen ersten Maßstab. Zu diesem Zeitpunkt standen die
Porsche von Gulf und Martini noch an den Boxen - die Mechaniker schraubten. Die
Wagen waren erst am Abend vorher in Stuttgart grob fertig gestellt worden. Eine
Reihe von Feinarbeiten am Fahrgestell hatte man für den Ring aufgespart. Nur
Porsche-Fahrer Prinz Ferfried von Hohenzollern konnte schnelle Runden vorweisen.
Eine Runde beendete er in 8:56,0 Minuten. Die nächste Runde beendete er noch
schneller. Nach rund 5 Minuten zerlegte er seinen Porsche auf dem Randstreifen
kurz hinter dem Karussell.
Samstag
"Schnell im Rallye-Stil"
Ideales Trainingswetter, trocken und leicht bewölkt, ermunterte alle Teams
bereits bei Trainingsbeginn zu einer selten erlebten Emsigkeit. Galt es doch vor
allem bei Porsche, die Zeiten vom Vortag zurechtzurücken. Aber auch bei Alfa
schickte man die Fahrer, sobald sie die Boxen anliefen, so schnell wie möglich
wieder auf die Strecke. Der Ferrari kreiste regelmäßig und hielt nur, um kleine
Fahrgestell-Korrekturen vornehmen zu lassen. Interessante Zeiten gab es bei den
GT-Wagen.
Beim Training erreichten sämtliche GT-Wagen Zeiten um 9:30 Minuten. Aake Andersson und Jürgen Barth
pilotierten in der GT-Klasse einen Porsche 911 S. Als Aake Andersson hinterm Steuer saß,
blieb die Zeitnehmeruhr bei 9:19,1 Minuten stehen. Aake Andersson flog in echtem Rallyestil
quer um den Kurs. Diesen Fahrstil setze er auch im Rennen vor. Der lang anhaltende Kampf
um die Führung in der GT-Klasse entschieden dann die Ringspezialisten Kremer/Neuhaus für
sich. Aake Andersson stellte aufgrund seines Fahrstils den Wagen mit Achsschaden in der 19. Runde ab.
Der andere Rallyespezialist Björn Waldegaard (ebenfalls Porsche 911 S) demolierte die beiden
Hinterräder an den neuen Randsteinen des Nürburgrings mit seinem Fahrstil bis zur 36. Runde
so gründlich, dass auch er seinen Porsche vorzeitig absetzen musste. So konnten Kremer/Neuhaus
fortan in Ruhe ihre Runden drehen und den Klassensieg einfahren.
Während die Zuschauer nach dem Training die Wurst- und
Bierkioske frequentierten, Zelte aufschlugen und Lagerfeuer entzündeten, gingen
in den Garagen des Fahrerlagers die Lichter an.
"Der schnellste Kamerawagen von Le Mans"
Reinhold Jöst und Willy Kauhsen holten sich den Sieg in der Klasse der Sportwagen bis 5
Liter und im Gesamtklassement Rang 6. Sie fuhren einen Porsche 917 vom Team Auto Usdau.
Dieser Platzierung war um so bemerkenswert, da der Porsche 1970 bei den Dreharbeiten
zu dem Film „Le Mans“ von Steve McQueen als Kamerawagen diente. Der Wagen hatte schon über
100 Betriebsstunden auf dem Heck und der Motor lief schon 51.000 km Rennen ohne Generalüberholung.
Dies spricht für die Porsche-Qualität.
"Kameradschaft unter Motorsportkollegen"
Mit einem defekten 3. Gang stand der einzige deutsche, private Ferrari 512
von Georg Loos in der Garage. Der Schweizer Konkurrent Herbert Müller sicherte
ihm den Start, indem er ein Getriebe zur Verfügung stellte. Das dieses Getriebe
eine Monza-Obersetzung hatte, war nur ein Schönheitsfehler.
Das Rennen
Pünktlich um 11 Uhr gingen bei strahlendem Sonnenschein 27 Prototypen, 8
Sportwagen und 16 GT -Wagen im Indianapolisstart auf die 44-Runden-Reise. Vom
Start weg übernahm Jacky Ickx (Ferrari) vor Rolf Stommelen (Alfa) die Führung.
Es folgten die Porsche von Vic Elford, Jo Siffert und van Lennep. Von Runde zu
Runde vergrößerte Jacky Ickx seinen Vorsprung. In der 5. Runde stellte er mit
7:40,8 = 178,4 km/h einen neuen Rundenrekord für die Nordschleife auf.
Doch bei dem hohen Renntempo stieg auch die
Wassertemperatur des Ferraris. So lief Jacky Ickx in der 6. Runde mit hoher
Geschwindigkeit die Boxe an und ließ Kühlwasser nachfüllen. Das dauerte 47
Sekunden - und Stommelen, Siffert und Elford waren vorbei. Am Ende der nächsten
Runde suchte Siffert unplanmäßig die Boxe auf: Die Motoraufhängung war beidseits
an einer Schweißnaht gerissen, der Motor berührte fast den Boden = aus für den
Gulf-Porsche. Der Führungskampf zwischen Stommelen und Elford bestimmte die
folgenden Runden. Bis zu drei Mal im Verlauf einer Runde wechselte die Führung
zwischen beiden, bevor sie in der 11. Runde zum Routinestopp an die Boxen kamen.
Nach den Fahrerwechseln sortierte sich das Feld schnell
wieder in dieser Reihenfolge ein. Nur Jacky Ickx war nicht zu halten und stürmte
in der 13. Runde wieder dem Feld voran. Offensichtlich versuchte Nanni Galli,
der Rolf Stommelen abgelöst hatte, sich an Jacky Ickx anzuhängen, um den
nachfolgenden Larrousse loszuwerden. Dabei mutete er dem Motor wohl zuviel zu,
so dass dieser in der 14. Runde explodierte.
In der 15. Runde stoppte Jacky Ickx für 28 Sekunden an
der Box zum Fahrerwechsel. Der Vorsprung war so groß, dass Clay Regazzoni
Spitzenreiter blieb. In der 21. Runde rollte der Ferrari mit dem 440 PS Formel-1
Triebwerk mit überhitztem Motor an der Box aus.
"Klebeband ersetzt die Karosserie-Verkleidung nicht"
In der 24 Runde traf Herbert Müller das Urteil der Kommissare hart: Er
durfte nicht weiterfahren, da die Verkleidung seines Ferrari 512M flatterte.
Zuvor hatte Teamkollege René Herzog infolge eines Reifenschadens die Fronthaube
an der Leitplanke zertrümmert und die Montage einer neuen Haube war bereits
erfolgt. Da aber der Unterbau ebenfalls beschädigt war, hielt die neue Haube dem
Fahrtwind nicht stand und begann sich in Einzelteile aufzulösen. Als Herbert
Müller sich anschickte, den Schaden mit Klebeband zu reparieren, hatte die
Rennleitung etwas dagegen: Die Müller-Mannschaft musste aufgeben.
Bei dem Routinestopp in der 33. Runde übergab Rodriguez
den Wagen nicht an Siffert, sondern fuhr selbst weiter. Larrousse, ausgeruht und
gut in Form, baute mit dem Martini-Porsche den Vorsprung gegenüber Rodriguez auf
über eine Minute aus. Da der Rückstand von Helmut Marko auf Pedro Rodriguez
ebenfalls über eine Minute betrug, hielt man das Rennen als für gelaufen. Die
ersten Zuschauer traten den Heimweg an und verpassten damit die wohl
interessantesten Runden des ganzen Rennens. Fünf Runden vor Schluss merkte man
deutlich, dass Pedro Rodriguez müde und langsamer wurde. Er hatte sich zuviel
mit der 500 Kilometer-Distanz ohne Ablösung zugemutet. Der Vorsprung von
Larrousse vergrößerte sich auf 1:29 Minuten. Als man dies Helmut Marko auf dem
zweiten Martini-Porsche signalisierte, sah er seine Chance gekommen und startete
eine sensationelle Aufholjagd. Lag er in der 39. Runde noch 1:26 Minuten zurück,
so verringerte sich der Abstand in der 42. Runde auf 40,9 Sekunden. In der
nächsten und vorletzten Runde waren es nur noch 18 Sekunden. In der letzten
Runde driftete Pedro Rodriguez durch die Kurven und wenn Helmut Marko eine Lücke
entdeckt hatte, machte er wieder zu. Auf der letzten Geraden fuhr Rodriguez die
ganze Straßenbreite ausnutzend, um nicht überholt zu werden. Mit einer
Zehntelsekunde Differenz jagten beide über die Ziellinie, Rodriguez vor Marko.
Die Ehre des springenden Pferdes
rettete das Team Loos/Pesch, die den einzigen Ferrari ins Ziel brachten. Der 9.
Platz im Gesamtklassement war der Lohn. Das richtige Getriebe, das im Training
beschädigt wurde und gegen eine Monza-Übersetzung vom Konkurrenten Herbert
Müller getauscht werden musste, hätte sicher eine noch bessere Platzierung
gebracht.
Fahrer
Pedro Rodriguez, Vic Elford, Gérard Larrousse
Jo Siffert, H. D. Dechent - Martini-Rennleiter, Gérad Larrousse
Toine Hezemans, Rolf Stommelen
Andrea de Adamich, Henri Pescarolo
Fahrerlager
Die Teams und Wagen
Startnummer 1
Pedro Rodriguez, Jo Siffert, Jackie Oliver
Porsche 908/03
Gesamtplatz 2
Startnummer 2
Jo Siffert, Derek Bell
Porsche 908/03
ausgefallen
Startnummer 3
Jo Siffert, Gérard Larrousse
Porsche 908/03
Gesamtplatz 1
Startnummer 4
Gijs van Lennep, Helmut Marko
Porsche 908/03
Gesamtplatz 3
Startnummer 5
Ferfried von Hohenzollern, Leopold von Bayern
Porsche 908/02
nicht gestartet
Startnummer 7
Ernst Kraus, Dieter Basche
Porsche 908/02
Gesamtplatz 8
Startnummer 8
Claude Ballot-Léna, Guy Chasseuil
Porsche 908/02
Gesamtplatz 7
Startnummer 10
Rolf Stommelen, Nanni Galli
Alfa Romeo 33/3
ausgefallen
Startnummer 11
Andrea de Adamich, Henri Pescarolo
Alfa Romeo 33/3
Gesamtplatz 4
Startnummer 12
Toine Hezemans, Nino Vaccarella
Alfa Romeo 33/3
Gesamtplatz 5
Startnummer 14
Carlo Facetti, Teodoro Zeccoli
Alfa Romeo 33/3
nicht gestartet
Startnummer 15
Jacky Ickx, Clay Regazzoni
Ferrari 312 PB
ausgefallen
Startnummer 37
Brian Martin, Terry Croker
Martin Ford-Cosworth BM8
ausgefallen
Startnummer 48
Heinz Gilges, Dieter Hegels
Kilian NSU PT
Gesamtplatz 24
Startnummer 52
Mike Garton, Roger Heavens
Chevron B19
ausgefallen
Startnummer 54
Teddy Piletti, Gustave Gosselin
Lola T70
ausgefallen
Startnummer 55
Reinhold Jöst, Willy Kauhsen
Porsche 917 K
Gesamtplatz 6
Startnummer 59
Georg Loos, Franz Pesch
Ferrari 512 M
Gesamtplatz 9
Startnummer 60
Herbert Müller, René Herzog
Ferrari 512 M
ausgefallen
Startnummer 61
Heinrich Wiesendanger, Cox Kocher, Herbert Müller
Ferrari 512 S
ausgefallen
Startnummer 62
Der Ferrari 512 M, der von Herbert Müller gemeldet war, nahm nicht am Training teil.
Ferrari 512 M
nicht gestartet
Startnummer 74
Harald Link, Bernd Becker
Porsche 906
ausgefallen
Startnummer 96
Franz-Josef Rieder, Willliam Scheeren
Porsche 914/6
Gesamtplatz 19
Startnummer 2 + 15
Jo Siffert / Derek Bell und Clay Regazzoni/Jacky Ickx
Porsche 908/03 und Ferrari 312 PB
Der Helm von Ernst Kraus auf einem Reifenstapel im Fahrerlager.
Streckenabschnitt Klostertal kurz vor der Steilstrecke
Bemerkenswert der Zuschauer/Streckenposten auf der Leitplanke sitzend.
Horst Hoier und Walter Simonis belegten mit einem Porsche 914/6 GT den 18. Gesamtrang.
Siegerehrung
Dr. Tony Goodwin und Raymond Nash, Sieger in der Klasse Sportprototypen bis 2
Liter Hubraum.
Sie fuhren einen Chevron BMW Redex-RPA, dies war ein Chevron B8 mit abgesägtem
Dach.
Vorne links im Bild: Der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl.
Rahmenprogramm
Formel Super V
Das Rennen der Formel Super V ging über 5 Runden. 28 Fahrer waren am Start.
Die beste Trainingszeit fuhr Erich Breinsberg (Austro-Kaimann) in 9:07.0
Minuten. Er gewann auch das Rennen vor Dietrich und Schurti (alle
Austro-Kaimann). Insgesamt kamen 15 Fahrer in Wertung an. Die schnellste Runde
und neuen Rundenrekord für die Formel Super V fuhr Erich Breinsberg in der 4.
Runde mit 8:59,6 Minuten = 152,3 km/h.
Weitere Informationen und Bilder zum ADAC-1000-Kilometer-Rennen gibt es in den Büchern:
Für die Bilder und Informationen zum 1000-Kilometer-Rennen 1971 bedanken wir uns bei:
- Dirk Rommelsheim
- Klaus Tweddell
- Olli Martini
- Horst Hoier
Veröffentlichunn: 28. Januar 2005
Letzte Aktualisierung: 5. Februar 2020
Copyright: Burkhard Köhr